Heimweh, wonach?

Heimweh, wonach?

Wenn ich «Heimweh» sage, sage ich «Traum».
Denn die alte Heimat gibt es kaum.
Wenn ich Heimweh sage, meine ich viel:
Was uns lange drücke im Exil.
Fremde sind wir nun im Heimatort.
Nur das «Weh», es blieb.
Das «Heim» ist fort.

-Mascha Kaléko, vermutlich nicht vor 1938


Formale Analyse:

Das Strophenschema des Gedichtes beinhaltet eine Strophe aus sieben Versen. Es handelt sich um ein Prosa Gedicht.

Das Gedicht ist in Paarreimen ( a,a,b,b..) aufgebaut. Es handelt sich um ein unregelmässiges Metrum.


Autorin und Hintergrund:

Mascha Kaleko: Keine Heimat in der Fremde

Abb. 1

Mascha Kaléko ist am 7. Juli 1907 im damaligen Österreich-Ungarn, im heutigen Polen auf die Welt gekommen. Sie war Jüdin. Mit sieben Jahren, zu Beginn des Erstens Weltkrieges, flüchtete sie mit ihrer Familie nach Frankfurt am Main in Deutschland. Die Familie ist wie viele andere jüdische Familien aus Österreich-Ungarn geflohen, um russischen Pogromen gegen Juden zu entkommen. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen sie dann weiter nach Berlin. 1933 wurden die Juden immer weniger akzeptiert  in Deutschland, gerade zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Kaléko ihr erstes Buch.

Kaléko wollte nicht aus Berlin fliehen, doch 1938 schaffte sie es noch kurz vor knapp rechtzeitig Deutschland und konnte in Amerika emigrieren. In New York fühlte sie sich aber nie als dazugehörig. Kaléko wollte unbedingt wieder zurück nach Deutschland, dieses Heimweh und die Hoffnung spiegeln sich in vielen ihrer Gedichten wieder. Für eine Vortragsreise konnte sie 1956 endlich wieder für kurze Zeit zurück nach Deutschland. In dieser Zeit hat sie das Gedicht „Wiedersehen mit Berlin“ verfasst. In diesem Gedicht beschreibt Kaléko, wie Berlin für sie nun aussieht. Falls Dich dieses Werk von ihr interniert, schau gern auf dem folgendem Link nach.
https://www.maschakaleko.com/geDichte/25-wiedersehen-mit-berlin

Aber schon drei Jahre später zog sie ihres Mannes zu liebe nach Jerusalem. Als dann 1968 ihr Sohn Steve überraschend starb und dazu noch fünf Jahre später ihr Mann, verliess sie kaum mehr ihre Wohnung und sah selbst keinen weiteren Sinn mehr in ihrem Leben. 1974 war die Einladung für einen Vortragsabend in Berlin ihre letzte Motivation, erneut zu ihrer Lieblingsheimat zurück zu dürfen. Als sie am 21. Januar 1975 wieder auf dem Rückweg nach Jerusalem war, starb sie während ihres Zwischenstopps in Zürich.


Inhaltsangabe:

Das Gedicht „Heimweh, wonach?“, geschrieben von Mascha Kaléko, verfasst vermutlich kurz nach 1938 handelt, von Heimweh und Vertreibung.
Im ersten Vers macht Kaléko deutlich, dass sie schmerzhaft von ihrer Heimat träumt.
Im folgenden Vers schreibt sie, dass ihre Heimat kaum noch existiert.
Danach verdeutlicht sie ihr grosses Heimweh.
Sie musste fliehen und hatte Heimweh.
Nach der Rückkehr fühlt sie sich fremd.
Sie erzählt von ihren bleibenden Schmerzen.
Zum Schluss verdeutlicht Kaléko, dass ihre alte Heimat verschwunden ist.


Themenbezug & Thematik:

Für mich persönlich war es wichtig, nicht nur Gedichte über die Flucht zu zeigen, sondern auch über die Folgen von der Flucht.

In diesem Gedicht geht es weniger um die Flucht Kalékos, als viel mehr um die Sehnsucht (Vers 1) nach ihrer Heimat. Doch der Hintergrund dieses Gedichtes ist ganz klar die Flucht von Kaléko und der Aufenthalt im Exil. Mit dem Wort  Exil (Vers 4)  spricht sie den unfreiwillig gewählten Wohnort in Amerika an.


Vergleiche mit den anderen Gedichten:

Dieses Gedicht ist wie alle meiner Gedichte von einem Flüchtling geschrieben worden. Doch Kaléko beschreibt nicht den Weg ihrer Flucht, sondern den aktuellen Gefühlszustand und das Leben im Exil.


Umfeld des Gedichtes:

Das Gedicht ist auf Grund der Flucht von Kaléko entstanden. Sie musste Deutschland verlassen, weil die Juden während des Zweiten Weltkrieges verfolgt und getötet wurden. Sie konnte nach New York emigrieren. Zurzeit ihrer Flucht waren ihre Bücher auf der sogenannten „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“. Das zeigt, wie gefährliche ihre Situation als jüdische Schriftstellerin war.

Viele Intellektuelle wurde in der Zeit des Zweiten Weltkrieges verfolgt, wie auch die Juden. Auf der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ waren bekannte Schriftsteller wie Erich Kästner, Stefan Zweig, aber auch Nelly Sachs und Max Herman-Neiße. Von Nelly Sachs und Marx Hermann-Neiße habe ich jeweils ein Gedicht auf meinem Blog, also falls Dich die beiden mehr interessieren, kannst Du dort ebenfalls gerne vorbeischauen.

Aussicht von der Siegessäule auf die Straße des 17. Juni Richtung Berliner Mitte (Okt. 2013)

Abb. 2  (Berlin, heute, würde es Kaléko  immer noch gefallen?)

Sprache im Gedicht:

Kaléko hat eine einfache leicht verständliche Sprache gewählt. Sie hat oft Wiederholungen mit „Heim-“ benutzt. Mit diesen Repetitionen wird klar, wie wichtig ihr die Heimat war. Kaléko benutzt kurze, aber dafür prägnante Verse.


Stilmittel

Der Titel beginnt mit einer rhetorischen Frage, „Heimweh, wonach?“ Mit dieser Frage wird gezeigt, dass Kaléko selbst nicht mehr weiss, ob sie jemals wieder zurück nach Berlin kehren kann. Die Sehnsucht zurückzukehren ist unbeschreiblich gross.

Der erste Vers zeigt einen Vergleich auf. Er verdeutlicht, dass Kaléko fürchterliches Heimweh nach ihrem Traum verspürt. In diesem Fall ist der Traum die Rückkehr nach Berlin. Doch Träume sind nicht die Realität, und Mascha Kaléko denkt, dass sie nie wieder zurück nach Berlin kehren kann.

„Drücke“ im Vers vier ist eine Metapher. Drücke stellt ihren zwanghaften Aufenthalt im Exil da, sie musste Deutschland verlassen, um nicht zu sterben. Das Exil, welches in diesem Vers angesprochen wird, ist wie ein Gefängnis für sie. Im Exil fühlt sie sich nicht richtig dazugehörig und träumt deshalb von einer Rückreise zu ihrem Heimatort.

Vers sechs und sieben stellen eine Personifikation da. Die beiden Verse verdeutlichen Kalékos Schmerz und die Aussichtslosigkeit in ihrer Situation.

Das ganze Gedicht deutet darauf hin, dass die Verfasserin ihren Lieblingsort (Berlin) verlassen musste, aber immer zurück wollte. Sie träumt von einer Reise zurück nach Berlin, dort wo sie sich dazugehörig fühlt und nicht fremd.


Stimmung:

Der Prosatext ist aus der Sicht des lyrischen Ichs geschrieben, somit konnte ich mich sehr gut in die Rolle von Kaléko versetzen.

In mir löst die Prosa erdrückende (Vers 5) und hilfesuchende Gefühle aus. Für mich persönlich hat das lyrische Ich längst aufgegeben und glaubt nicht mehr an den Traum ( Vers 1).


Quelle:

Mascha Kaléko, In meinen Träumen läutet es Sturm, 21.Auflage, Mai 2001, Seite 105.

maschakaleko, https://www.maschakaleko.com, 7.11.2018, 15.40 Uhr

Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_verbotener_Autoren_während_der_Zeit_des_Nationalsozialismus, 21.11.2018, 14.00 Uhr.

Abb. 1: blick-aktuell, https://www.blick-aktuell.de/Bad-Neuenahr/Mascha-KalekoKeine-Heimat-in-der-Fremde-9233.html, 7.11.2018, 15.30 Uhr

Abb.2: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin#/media/File:Siegessaeule_Aussicht_10-13_img4_Tiergarten.jpg, 19.11.2018, 16.15 Uhr

2 Antworten auf „Heimweh, wonach?

  1. Liebe Carolin
    Dein Blog gefällt mir schon sehr gut. Er ist übersichtlich und auch angenehm zu lesen. Man sieht, dass du viel Zeit investiert hast. Auch die Bilder sind sehr passend gewählt und bringen einem das Thema sehr nahe. Der Blog regt zum Nachdenken an. Aber nimm dir noch einmal die Zeit und lies noch einmal sorgfältig alles durch. Ich glaube, hier und da sind dir noch einige Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, die sich aber leicht korrigieren lassen ( Ein Beispiel ist im Satz: „…, gerade zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Mascha gerade ihr erstes Buch.“ Ich würde da erste „gerade“ weglassen, das „zu“ reicht völlig aus. Auch bei der Abteilung „Wer bin ich“ hast du Stilfiguren mit einem ie geschrieben. Aber wie gesagt, diese Fehler lassen sich leicht korrigieren)
    Ich hoffe, meine Kommentar hat dir weitergeholfen.
    Freundliche Grüsse
    JALY

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